Angst vor der Leere
Sobald der Job weg ist, fehlt oft ein wichtiger Teil des Lebens. Gerade Menschen, die neben Ihrem Beruf bisher nur wenig Zeit in Familie, Hobbys oder Freunde investiert hatten, stehen plötzlich ohne eine Aufgabe da, die ihnen Halt und Bestätigung geben könnte.
Gleichzeitig ist es ein heftiger Schlag für das eigene Selbstbewusstsein. Vor allem Männer trifft der Jobverlust in ihrem Stolz, da sie von sich selbst – und oft auch von der Gesellschaft – noch immer als Beschützer und Ernährer betrachtet werden und dieser Rolle nun nicht mehr gerecht werden können. Doch auch Frauen leiden darunter, ihre Selbstständigkeit einzubüßen. Die Folgen sind eine stetig sinkende Laune und eine zunehmende Reizbarkeit. Der Arbeitslose zieht sich zunehmend in sich selbst zurück und riskiert im schlimmsten Fall sogar depressiv zu werden oder in Alkoholsucht, Onlinesucht oder andere Süchte abzugleiten. Doch auch wenn die schlimmsten Konsequenzen ausbleiben: Fast immer macht sich ein Gefühl der Abhängigkeit breit, verbunden mit der Angst, plötzlich in der Partnerschaft der Schwächere zu sein.
Und diese Angst bekommt schnell Nahrung. Besonders wenn es mit dem neuen Job nicht auf Anhieb klappen will, liegt schnell der Vorwurf der Faulheit auf den Lippen. Vielleicht bekommt man vom Partner sogar – mehr oder weniger deutlich - zu hören, dass man ihm „auf der Tasche liegt“.
Wer Kinder hat, hat zudem Angst, kein gutes Vorbild mehr sein zu können und ihnen nichts mehr bieten zu können. Und sein Partner wird womöglich nicht müde, ihn nachdrücklich an genau diese Verantwortung zu erinnern. Zu allem Überfluss bekommt oft genug auch die Sexualität in solch einer Krise einen Dämpfer, sei es durch das Gefühl ein „Versager“ zu sein oder, weil der Partner einen plötzlich nicht mehr so attraktiv findet.
In so einer Atmosphäre ist es natürlich umso schwerer, die nötige Motivation für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche zu finden.
Einer für Zwei
Doch auch für den Partner des Arbeitslosen ist es nicht leicht. Sollte er sich bisher um Haushalt und Kindererziehung gekümmert haben, hat er mit heftigen Existenzängsten zu kämpfen und sieht sich plötzlich gedrängt, sich ebenfalls um einen Job zu bemühen. Geht er dagegen – weiterhin – arbeiten, kommt bei ihm schnell das Gefühl auf, seinem arbeitslosen Lebensgefährten ein laues Leben zu finanzieren. Plötzlich liegt die ganze Last auf seinen Schultern, und besonders wenn er den Eindruck gewinnt, dass der Partner sich nicht so recht Mühe mit der Jobsuche geben will oder nicht großartig im Haushalt hilft, kommt Frust auf. Immerhin schuftet er sich ja nach wie vor den Rücken krumm und erwartet dafür auch etwas Unterstützung.
Gleichzeitig hat er – solange er mit seinem Partner verheiratet ist – keine andere Wahl, als ihn finanziell zu unterstützen. Immerhin sind Ehepartner dazu verpflichtet, einander in Krisenzeiten unter die Arme zu greifen – so sieht das auch das Arbeitsamt, das den Partner hier praktisch in „Mithaftung“ nimmt. In dieser „Zwangsgemeinschaft“ gefangen, wird der Arbeitslose in den Augen des arbeitenden Partners mit der Zeit womöglich zu einem unselbstständigen Kind, das es zu erziehen gilt. Eine Perspektive, die auch nicht gerade die sexuelle Attraktivität des Partners steigert, dafür aber zu viel Streit und hässlichen Auseinandersetzungen führen kann.
Erziehung ist was für Kinder
Auch während der Arbeitslosigkeit sollte man seinem Partner weiterhin zeigen, dass man ihn liebt und unterstützt. Nicht umsonst heißt es ja „in guten wie in schlechten Zeiten“ und ein Mensch hat ja noch andere Qualitäten als seine Arbeitskraft. Umgekehrt sollte der arbeitslose Partner natürlich trotzdem zeigen, dass er sich um einen Job bemüht und seine Familie bzw. seinen Partner in dieser Hinsicht nicht im Stich lässt.
Von Standpauken, extremem Druck und Vorwürfen sollte aber lieber Abstand genommen werden. Wer seinen Job verloren hat, hat es auch so schon schwer genug, aus seinem Tief rauszukommen. Genauso wenig Sinn wie die Peitsche zu zücken, macht es den Partner zu bemuttern und ihm alles abzunehmen. Wer meint, dass er nur mit solchen Erziehungsmaßnahmen weiterkommt, sollte es lieber mal mit einem vernünftigen Gespräch auf Augenhöhe versuchen oder sich ernsthaft fragen, ob ein Partner, den man noch „erziehen“ muss, wirklich der Richtige ist.
Hilfe und Unterstützung im normalen Maß sind dagegen Gold wert. So kann man dem Partner bei Bewerbungen helfen, sich nach Jobangeboten umhören und ihn zu einem geregelten Tagesablauf motivieren. Umgekehrt kann der Partner seine vermehrte Freizeit auch zum Teil in den Haushalt oder die Kindererziehung investieren und so ein wenig Entlastung schaffen.
Mindestens genauso wichtig ist Motivation. Es ist weitaus besser, gemeinsam auf die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch anzustoßen, als eine Drohkulisse aufzubauen („wenn du das wieder versaust …"). Auch gegenüber Anfeindungen von Dritten („Noch immer keinen Job gefunden? Versteh ich nicht. Also wer sich wirklich bemüht, der …“) sollte man den Partner verteidigen und ihm zu Seite stehen.
Am wichtigsten ist es aber, die Gleichberechtigung in der Partnerschaft zu bewahren. Das fällt sicher leichter, wenn man sich vor Augen führt, dass man irgendwann auch selbst einmal in die gleiche Situation geraten könnte.