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Selbstfindung nach einer Trennung

 
 

Am Anfang sind wir verliebt. Ein äußerst verzückender Zustand. Wir sind „außer uns“, machen lauter „verrückte Dinge“, fühlen uns so unendlich lebendig und mit allem verbunden. Wer sie einmal erlebt hat, wünscht sich diese Leichtigkeit immer wieder. Psychologen sehen allerdings das Verliebtsein kritisch. Manche bezeichnen es sogar als eine psychische Störung (z. B. Professor Rene Diekstra).

Glück entsteht erst dann, wenn es uns gelingt, das Verliebtsein in Liebe zu verwandeln. Dafür sind die Übernahme von Verantwortung und eine langjährige gemeinsame Entwicklung nötig. Erst dann können wir den anderen „lieben“ und uns von ihm dankbar „lieben lassen“.

Wir erwarten vom Partner, uns das zu geben, wonach wir uns zutiefst sehnen. Die gleiche Hoffnung teilen die meisten, die wir kennen. Die Ausrichtung unserer westlichen Kultur auf die Monogamie bestärkt uns in unserer Erwartung, dass unser Partner für unser dauerhaftes Glück zuständig ist. Es kann doch nicht falsch sein, wenn Tausende um einen herum das Gleiche denken.

Eine Trennung beendet diesen Lebensentwurf jäh. Als frisch Getrennte sehen und erleben wir uns wieder mehr und mehr als einzelne, von allen anderen isolierte Person. Zwar müsste die Rückbesinnung auf sich selbst nicht bedeuten, alleine zu sein oder uns bei allem noch mehr anstrengen zu müssen. Dennoch passiert nicht selten genau das. Grund: Die Individualisierung wird für viele zur leidvollen Extremerfahrung der Vereinzelung bis hin zur Vereinsamung. Dabei wird die große Chance übersehen, welche die in unserer Zeit stark aufgewertete Selbstbestimmung bietet. Sie erlaubt es uns, traditionelle soziokulturelle Strukturen – wie die Familie oder eben auch das Paar – besser als früher reflektieren zu können.

Eine Trennung oder Scheidung ist zudem nicht nur emotional, sondern oft auch wirtschaftlich belastend. Die Kombination kann sich dramatisch auswirken. Wir beginnen an vielem und an uns selbst zu zweifeln. Das eigene Scheitern, die Zurückweisung durch den Partner und die Turbulenzen der Realität zwingen viele zu einer harten (Bruch-)Landung.

Hochzeiten werden gefeiert, aber kaum jemand bereitet sich umfassend auf das Zusammenleben als Paar in unserer komplizierten und komplexen Welt vor. Für den Abschied gibt es nicht einmal eine kulturell anerkannte Zeremonie, die uns die damit beginnende Trennungszeit als akzeptablen Lebensabschnitt bestätigen würde.

Die Zeit nach der Trennung wird deshalb in erster Linie schmerzhaft bewältigt. Dass dies jedem gelingen sollte, erwartet die Gesellschaft, erwarten unsre Freunde. Schließlich scheint heute mit dem entsprechenden Wissen, ehrgeizigen Zielen und der richtigen Strategie alles machbar. Für alle Situationen gibt es Ratgeber mit zahlreichen Tipps und Tricks. Beruflicher und privater Erfolg sind, so wird suggeriert, nur eine Frage des richtigen Verhaltens und der richtigen Einstellung.

Natürlich bieten auch Psychologen ihre Unterstützung in persönlichen Krisen an. Häufig hilft das nur oberflächlich und kurzzeitig, denn die viele Konzepte wollen den „Klienten“ vor allem möglichst schnell wieder funktionstüchtig machen. Wichtige Fragen bleiben hingegen unbeantwortet. Fragen, die den Sinn des Lebens berühren.

Vor allem die Werbepsychologie macht sich die ausgeprägte Individualität jedes Einzelnen zunutze und wir fühlen uns manchmal nur noch als potenzielle Konsumenten. Entgegen dem Zeitgeist – Motto „Geiz ist geil“ – keimt in der Phase nach einer Trennung eine neue und zugleich alte Erkenntnis auf. Wir sind zutiefst auf ein Kollektiv angelegt. Wir fühlen und gesünder, stärker und glücklicher, wenn wir freiwillig geben und nehmen.

Auch wenn durch das Ende unserer Partnerschaft eine intime Gemeinschaft endet, wünschen wir uns weiterhin, in einer solchen zu leben. Erst die Nähe zu unserem Partner hat zu Entwicklungen der eigenen Persönlichkeit geführt, die sich allerdings in der Partnerschaft als Probleme zeigten. Sie haben die Beziehung belastet, sind uns und dem anderen auf die Nerven gegangen, sollten einfach aufhören.

In einer kriselnden Beziehung abzuwägen, ob man bleiben oder gehen sollte, ist nicht leicht. Heute entscheiden wir uns recht schnell für eine Trennung. Sicherlich gibt es Paare, für die es besser ist, sich zu trennen. Als Allheilmittel taugt ein Adieu oder ein Partnerwechsel aber nicht.

Eine Paarberatung / Paartherapie bietet hier die Möglichkeit, Ursachen und Gründe für Störungen zu erkennen sowie auf dieser Basis neue Wege als Paar zu entdecken.
Und wenn eine Trennung oder Scheidung unausweichlich scheint, können mit einer Mediation die Kosten bzw. der emotionale Schaden begrenzt werden.

Im Mittelpunkt steht nun die Beschäftigung mit mir selbst, was zur Frage führt, was ich wirklich will. Darauf Antworten zu finden, ist eine große Herausforderung und durchaus eine Strapaze.

Für diesen Prozess kann eine psychologische Beratung wichtige Impulse liefern. Am Ende eines langen Weges des Suchens – begleitet von Schmerzen, Enttäuschungen und Verlusten – winkt als Lohn das, was wir lange erfolglos probiert haben: Wir finden uns selbst!

Jede Trennung schenkt uns die Einsicht, dass wir selbst empfindlich und verletzlich sind. Und wenn es uns nach einiger Zeit gelungen ist, das zu akzeptieren, können wir diese Eigenschaft vielleicht auch unserem Partner zugestehen.
So wird das Ende einer wichtigen Liebesbeziehung zum Wendepunkt. Wir orientieren uns neu und lernen, wie sich eine gesunde Balance zwischen Autonomie und Bindung schaffen lässt. Und das macht uns zum liebesfähigen Menschen! Künftig werden wir echte Gemeinschaft suchen und damit die Wahl des nächsten Partners unter anderen Gesichtspunkten als zuvor betrachten.