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Recht der Mutter auf Vaterschaftsfeststellung

 
 

Der Bundesgerichtshof hatte über einen scheinbar seltsam anmutenden Fall zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 18.3.2020, Az. XII ZB 321/19). Es ging darum, dass eine Frau, obwohl sie von einem anderen Mann schwanger war, nach der Trennung von Ihrem Ehemann die Vaterschaft des Ehemannes angefochten hatte. Mit dem Sachverhalt ist eine ganze Reihe von interessanten Fragen verbunden.

Was war passiert?

Eine Frau hatte sich mehrfach mit einem Mann versöhnt. Schließlich heiratete sie diesen Mann, obwohl sie bereits von einem anderen Mann schwanger war. Beide wussten, dass der Ehepartner nicht der leibliche Vater des Kindes ist. Die Frau war in einer halbjährigen Beziehungspause von einem anderen Mann schwanger geworden. Nach der Trennung vom Ehepartner beantragte die Frau beim Amtsgericht die Feststellung, dass ihr Ex-Ehepartner nicht der Vater ihres Kindes sei. Der Mann wehrte sich und bestand darauf, der rechtliche Vater des Kindes zu sein. Er betrachtete das Kind, für das er wohl seit der Geburt Verantwortung getragen hatte, als „sein“ Kind.

Geburt in der Ehe begründet die rechtliche Vaterschaft

Wird in der Ehe ein Kind geboren, stammt es von Gesetzes wegen vom Ehemann der Mutter ab, zumindest so lange, als die Vaterschaft in einem förmlichen Verfahren nicht erfolgreich angefochten wird. Der Ehemann ist dann der rechtliche Vater des Kindes. Wer der leibliche Vater ist, interessiert insoweit nicht. Grund ist, dass der Gesetzgeber den Schutz der Familie zum Ziel hat und das Kind möglichst in klaren familiären Verhältnissen aufwachsen soll.

Der Ehemann gilt selbst dann als der rechtliche Vater des Kindes, wenn die Ehegatten bereits längere Zeit getrennt gelebt hatten oder es offenbar unmöglich war, dass die Frau das Kind von ihm empfangen hatte. Dabei kommt es allein auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes während der Ehe an, nicht auf den Zeitpunkt der Zeugung.

Die Vermutung gilt nicht, wenn das Kind geboren wird, nachdem ein Scheidungsantrag anhängig geworden ist. Anhängig bedeutet, dass der Scheidungsantrag bei Gericht eingereicht wurde. In diesem Fall gesteht das Gesetz zu, dass wahrscheinlich ein Dritter der leibliche Vater des Kindes ist.

Auch die Mutter kann die Vaterschaft anfechten

Der durch die Geburt in der Ehe oder die Anerkennung der Vaterschaft geschaffene Status des Kindes kann nur beseitigt werden, indem die Vaterschaft angefochten wird. Dafür ist ausdrücklich ein Antrag beim Gericht zu stellen. Typischerweise ficht der Vater die Vaterschaft an.

Aber auch die Mutter hat ein Anfechtungsrecht. Grund ist, dass auch der Mutter im Hinblick auf das Sorgerecht für das Kind ein erhebliches Interesse an der abstammungsrechtlichen Zuordnung des Kindes zugestanden wird (§ 1600 BGB). Auf eine Prüfung, ob die Anfechtung im Interesse des Kindes liegt, stellt das Gesetz ausdrücklich nicht ab.

Wie erfolgt die Anfechtung der Vaterschaft durch die Mutter?

Will die Mutter die Vaterschaft anfechten, muss sie die Anfechtung in den ersten zwei Lebensjahren des Kindes beantragen. Die Frist beginnt frühestens mit der Geburt. Es handelt sich um eine Ausschlussfrist, da die Bindung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater in diesem Zeitraum noch nicht so stark entwickelt ist. Wird das Kind älter als zwei Jahre, kommt die Anfechtung durch die Mutter nicht mehr in Betracht, da das Gesetz unterstellt, dass das Kind eine Bindung zum rechtlichen Vater entwickelt hat, die nicht mehr auf den Prüfstand gestellt werden sollte.

Der Bundesgerichtshof stellte im vorliegenden Fall darauf ab, dass widerstreitende grundgesetzlich geschützte Interessen abgewogen werden müssten. Sowohl Mutter als auch leiblicher Vater hätten ein Interesse am Sorgerecht. Auch das Recht des Kindes darauf, dass sein rechtlich und sozial-familiärer Status erhalten bleiben, sei grundgesetzlich schützenswert. Mit der Anfechtungsfrist von zwei Jahren trage der Gesetzgeber diesen Aspekten Rechnung.

Im Fall sah der BGH auch keinen Rechtsmissbrauch. Die Mutter habe sich mit der Heirat und der anschließenden Anfechtung der Vaterschaft Ihres Ehepartners nicht widersprüchlich verhalten. Die Zweijahresfrist gewähre der Mutter eine Überlegungsfrist. Sie soll sich darüber klarwerden, ob sich die mit der rechtlichen Vaterschaft verbundenen Erwartungen erfüllen lassen. Sei dies nicht der Fall, müsse der Mutter das Recht zugestanden werden, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten. Auch sei im Hinblick auf die Zweijahresfrist davon auszugehen, dass die seelische Entwicklung des Kleinkindes dadurch nicht beeinträchtigt werde.

Auch der rechtliche Vater hat ein Umgangsrecht

Trotz der Anfechtung seiner Vaterschaft, kann dem rechtlichen Vater ein Umgangsrecht mit dem Kind zugestanden werden. Voraussetzung ist, dass er in den vergangenen zwei Jahren seit der Geburt des Kindes tatsächliche Verantwortung für das Kind getragen hat und eine sozial-familiäre Beziehung entstanden ist. Das Gesetz vermutet die Übernahme einer solchen tatsächlichen Verantwortung, wenn der Vater mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat (§ 1685 Abs. II BGB). Insoweit könnte der Ehemann trotz Aberkennung seiner rechtlichen Vaterschaft ein Umgangsrecht für das Kind notfalls auch gerichtlich erzwingen.

Auch das Kind hat ein Anfechtungsrecht

Nicht zuletzt könnte das Kind, sofern es aufgrund seines Alters die notwendige Einsichtsfähigkeit hat, selbst die Vaterschaft anfechten. Sein Persönlichkeitsrecht beinhaltet, dass es ein Recht auf gerichtliche Feststellung hat, wer tatsächlich sein biologischer Vater ist. Die Kenntnis der eigenen Abstammung sei für die Individualitätsfindung und das Selbstverständnis wichtig (BVerfG FamRZ 1989, 147).

Vor allem kann das Kind nach Eintritt seiner Volljährigkeit auch dann anfechten, wenn die Mutter als gesetzlicher Vertreter die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten hatte. Die Anfechtungsfrist beginnt dann erst mit Eintritt der Volljährigkeit und auch nicht vor dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen seiner Geburt erfährt.

Muss die Mutter dem Kind Auskunft geben, wer sein Vater ist?

Will das Kind seine Abstimmung klären, muss es Kenntnis haben, wer sein Vater ist. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, wie im Einzelfall die widerstreitenden Interessen der Mutter auf Wahrung ihrer Intimsphäre und die Interessen des Kindes auf Offenbarung abzuwägen sind.

Bei der Abwägung soll das Kindesinteresse überwiegen, wenn die Kenntnis des leiblichen Vaters wichtig ist, um sich mit Hilfe des genetischen Vaters einer Heilbehandlung zu unterziehen oder die finanzielle Versorgung durch die Mutter nicht gewährleistet ist.

Die Auskunft wird hingegen für unzumutbar gehalten, wenn mit dem Sexualkontakt der Mutter entwürdigende Umstände verbunden waren (z.B. Vergewaltigung durch den Kindesvater). Soweit das Interesse des Kindes überwiegt, hat das Kind jedenfalls Anspruch gegen die Mutter, alle Männer zu bezeichnen, mit denen die Mutter in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte.

Alles in allem 

Die Frage nach der rechtlichen und tatsächlichen Vaterschaft spielt eine wichtige Rolle im Leben eines Kindes. Sie ist nicht nur Teil der Identitätsfindung und Entwicklung des Kindes, sondern bringt auch einige Rechte und Pflichten mit sich. Dabei sind stets die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen, wenn es um Auskunftsansprüche geht.