Gute Lüge, böse Lüge?
Wenn eine Lüge auffliegt, kann das die Partnerschaft sehr belasten. Der Partner reagiert wütend und verletzt und nicht selten schmilzt der Vertrauensvorschuss, den man bei ihm genießt, dahin. Es ist, als würde man mit der Lüge einen ungeschriebenen Vertrag brechen, den man in einer langen Zeit der Liebe und Zuwendung geschlossen hat. Dadurch kann am Ende sogar die Liebe selbst vergiftet und jede Basis für eine gesunde Ehe zerstört werden. Wer es mit dem Lügen übertreibt, zerstört damit auch seinen Ruf und gilt schnell als ein notorischer Lügner, dem nicht zu trauen ist. Mit etwas Pech kann einem dieser Ruf auch nach der Trennung vorauseilen, besonders wenn der enttäuschte Partner einen großen Freundeskreis besitzt oder aktiv in sozialen Netzwerken unterwegs ist. Davon abgesehen ist es manchmal schon ein Fulltime-Job eine Lüge aufrechtzuerhalten, gerade wenn man bei wichtigen Dingen lügt. Wer mit diesem Aufwand keine Probleme hat, sollte zumindest darüber nachdenken, dass er selber vielleicht auch nicht so gerne angelogen wird.
Neben den „großen“ Lügen über Dinge wie Affären, Schulden oder die eigene Vergangenheit, gibt es aber auch noch kleine Notlügen, die manchmal reflexartig und in keiner bösen (oder sogar in einer guten) Absicht ausgesprochen werden. Die Ansichten darüber, was eine Notlüge ist und was nicht gehen aber dummerweise auseinander. Und die Grenze zu den großen Lügen ist oft genug schwer zu ziehen. Außerdem können in der Summe auch viele kleine Lügen viel Schaden anrichten. Und manchmal sind Lügen wegen Kleinigkeiten sogar noch viel schädlicher als große Lügengebäude. Der Partner fragt sich dann: „Wenn er/sie mich schon wegen so einem Mist belügt, wie sieht es dann erst bei wichtigen Dingen aus.“
Trotzdem gibt es durchaus Situationen, in denen Offenheit nicht sehr gefragt ist. Vor allem bei körperlichen Veränderungen (Falten, Zunehmen, Haarausfall), wollen die Wenigsten von uns die schonungslose Wahrheit ins Gesicht gepfeffert bekommen. Wenn hier Schweigen oder eine schöne Wortverpackung nicht mehr weiterhilft, bleibt einem oft nur eine Notlüge, wenn man den Partner nicht verletzen will. Auch wer beim Sex nicht zufrieden ist, kann mit zu offenen Worten das ganze nur verschlimmern. Bei solcherlei Lügen ist also auch Rücksicht im Spiel und nicht nur Eigennutz. Zudem kann es von Zeit zu Zeit Sinn machen, schlechte Nachrichten bis zu einem späteren Zeitpunkt zurückzuhalten (nach der Prüfung oder dem Bewerbungsgespräch, etc.). Auch weniger uneigennützige Lügen, bei denen es vielleicht nur um Unternehmungen mit Freunden oder irgendwelche Peinlichkeiten geht, sollte eine gesunde Partnerschaft verkraften können, solang sie nicht gehäuft auftreten.
Warum werde ich angelogen?
Die meisten Menschen lügen einfach um Ärger zu vermeiden, unangenehmen Situationen auszuweichen und ermüdende Diskussionen zu vermeiden. Häufig stecken auch Ängste (zum Beispiel vor dem Verlust der Partnerschaft) dahinter. Auf der anderen Seite geht es oft genug darum, den Partner nicht zu verletzen. Auch Scham spielt oft eine Rolle gerade, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes, Spielschulden oder ähnliche Probleme verschwiegen werden. Umgekehrt werden Lügen gerne dazu benutzt, sich selbst in ein besseres Licht zu rücken. Manchmal ist die Situation aber auch ernster und hinter den Lügen stecken schwindende Gefühle oder eine neue Liebe.
In der Regel traut sich ein Lügner aber vor allem nicht, so zu sein, wie er ist. In diesem Zusammenhang kommt auch sein Partner ins Spiel. Wer nämlich dauernd eifersüchtig und allzu neugierig ist (Wo warst du? Was machst du? Wann bist du wieder da?), fordert Lügen geradezu heraus. Der Lügner sieht dann meist keine andere Möglichkeit, um seine Privatsphäre zu schützen.
Was tue ich wenn mein Partner lügt?
Wer nicht will, dass er belogen wird, sollte dem Partner durch sein Verhalten zu verstehen geben, dass er nicht bei jeder Kleinigkeit ausflippt. Er muss zeigen, dass er mit offenen Antworten umgehen kann und in der Partnerschaft eine verständnisvolle Atmosphäre schaffen. Natürlich kann man so auch nicht alle Lügen verhindern und man muss auch nicht für alles Verständnis haben, was der Partner so anstellt. Aber man sollte versuchen sachlich und fair zu bleiben. Überreaktionen und mangelnde Gesprächsbereitschaft begeistern den Liebsten bestimmt nicht für die Wahrheit.
Wer seinen Partner fürs Lügen bestraft, bringt ihn vielleicht dazu seine Lügen künftig besser zu verschleiern, aber nicht dazu künftig unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Ähnlich ineffektiv ist es, den Überwachungsturbo anzuschalten. Wenn das Vertrauen so tief beschädigt ist, macht eine Partnerschaft wohl eher keinen Sinn mehr. Soll man sich deswegen jetzt alles einfach gefallen lassen? Nein! Wenn man einen Lügner erwischt, sollte man ihm deutlich machen, wie sehr die Lüge einen verletzt und gemeinsam versuchen zu verstehen, wie es zu der Lüge kommen konnte. So findet man mit der Zeit auch heraus ob hinter den Lügen nur Angst oder ähnliche „gesunde“ Beweggründe stecken oder ob man sich einen pathologischen Lügner ins Haus geholt hat. In diesem Fall muss man irgendwann einen Schlussstrich ziehen, denn eine Liebe, die nur auf Lügen aufgebaut ist, hat nicht nur kurze Beine, sondern vor allem sehr wackelige Füße!