Liebe in Zukunft

 
 

Ist Ihre Liebe fit für die Zukunft? Im Interview mit Andreas Steinle, Geschäftsführer vom Zukunftsinstitut Kelkheim, geht Ehe.de der Frage auf die Spur, ob sich das Lieben in Zukunft lohnt. Wie unsere Gegenwart geprägt ist und welche Rückschlüsse sich daraus für die Zukunft von Gesellschaft, Unternehmen und Kultur schließen lassen.

Ehe.de: In Ihrem Monatsmagazin Trend-Update sprechen Sie vom "Zeitalter von Polylove". Wie liebt man in Zukunft?

Andreas Steinle: Die Lebens- und damit auch die Liebesformen vervielfältigen sich. Im Zuge der gesellschaftlichen Liberalisierung werden Beziehungsmodelle, die früher als Sittenverfall stigmatisiert wurden, zunehmend akzeptiert. Dazu gehören z. B. „polyamore Beziehungen“, also stabile und transparente Beziehungen zwischen mehreren Partnern.

Ehe.de:  Glauben Sie an die Ehe im klassischen Sinne?

Andreas Steinle: Unbedingt. Die klassische Ehe wird es auch in Zukunft noch geben, allerdings verliert sie an Dominanz. Das lässt sich unter anderem daran ablesen, dass immer mehr Paare mit Kindern auf den Trauschein verzichten.

Ehe.de:  Was sind die Leitmilieus von morgen?

Andreas Steinle: Die Leitmilieus von morgen wandern von den Rändern der Gesellschaft in den Mainstream. Hollywoodfilme wie „Sex and the City“ oder „Friends with Benefits“ werben für mehr Vielfalt und Experimentierfreude. Sie machen das sogenannte „Casual Dating“ hoffähig - unkomplizierter Gelegenheitssex ohne Verpflichtungen.

Ehe.de:  Was sind die neuen Liebesstile?

Andreas Steinle: Die alten Liebesstile sind genauso zukünftige Liebesstile. Es gesellen sich jedoch neue hinzu. Dazu zählt z. B. „Scheduled Sex“, also Sex nach Terminplan. Die Idee von Sex als etwas, das man sich in den Kalender eintragen kann, wird heute zunehmend diskutiert und praktiziert, weil immer mehr Paare aufgrund von Stress, Arbeitsüberlastung und anderen Verpflichtungen sonst nicht mehr zusammenfinden.

Ehe.de:  Gibt es Unterschiede wie man auf dem Land bzw. in der Stadt liebt?

Andreas Steinle: Es lässt sich eine gewisse Spaltung beobachten: Während in der Provinz und den Speckgürteln das traditionelle Modell der Kleinfamilie mit strikter Monogamie hochgehalten wird, nimmt in den urbanen Zentren die Stabilität der Paarbeziehungen ab und die Vielfalt der Modelle zu. 

Ehe.de:  Werden sich die Dating-Tendenzen via Internet verstärken oder gewinnt das klassische Werben an Bedeutung?

Andreas Steinle: Das Online-Dating gewinnt immer mehr an Akzeptanz und wird mit der Facebook-Generation weiter zunehmen. Schon heute nutzen rund 8 Millionen Menschen Partnerbörsen und jeder Fünfte findet hierüber auch seinen Partner.

Ehe.de:  Ist Fremdgehen hoffähig geworden?

Andreas Steinle: Fremdgehen - insofern es auf keinem Arrangement beruht - wird niemals hoffähig werden, weil es einen Vertrauensbruch darstellt.

Ehe.de:  In Ihrem Zukunftsmagazin „Trend Update“ steht: „Vorn ist bekanntlich da, wo sich keiner auskennt.“ Welchen Wegweiser haben Sie?

Andreas Steinle: Unser Wegweiser in die Zukunft sind die Megatrends, also langfristige, globale Entwicklungen wie z.B. der Megatrend New Work, der Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, oder der Megatrend Frauen, der wachsende weibliche Einfluss in Politik, Wirtschaft und Kultur. Die Megatrends sind die Leitplanken für gesellschaftliche Entwicklung.

Ehe.de:  Marlene Dietrich sang 1930 im „Blauen Engel“; „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre. Ich bin doch zu schade für einen allein.“ Teilen Sie, 80 Jahre später, als Zukunftsforscher diese Meinung?

Andreas Steinle: Ich weiß genau, zu wem ich gehöre. Von daher teile ich nicht Marlene Dietrichs Meinung. Doch heute, wie früher und auch morgen wird es immer die Liebe sein, die Menschen in ein großes Chaos der Gefühle führen kann.

Ehe.de:  Die Idee von Sex als etwas, das man sich in den Kalender eintragen kann, wird heute zunehmend offener diskutiert. Ist Spontanität „out“?

Andreas Steinle: Spontanität ist keinesfalls out – im Gegenteil. Je mehr Menschen planen, desto wichtiger wird Spontanität als ausgleichender Gegenpol.

Ehe.de:  Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Trennungsgründe?

Andreas Steinle: Mit der zunehmenden Individualisierung und dem damit einhergehenden Wunsch nach Selbstverwirklichung entwickeln sich Interessen leichter auseinander. Das Fehlen einer gemeinsamen Basis, verbunden mit einem hohen Anspruch an die Qualität einer Partnerschaft führen heute zu den meisten Trennungen.

Ehe.de:  Ihr Zukunftstipp für Liebende?

Andreas Steinle: Offen sein für das Glück der unerwarteten Entdeckung auf einer gemeinsamen Reise.