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Liebe als Pille. Ist das wirklich wünschenswert? (© Sashkin - Fotolia.com)

Liebe auf Rezept – wollen wir die Liebespille?

 
 

Es gibt Pillen für Verhütung. Es gibt Pillen für die Potenz. Und eine Unzahl von Pillen und Mittelchen verspricht die Steigerung der sexuellen Lust oder der Attraktivität, auch wenn dieses Versprechen oft mehr schlecht als recht eingelöst wird. Aber Pillen für die Liebe? Schmetterlinge zum Einnehmen? 50 mg Bauchkribbeln 2x täglich nach dem Essen? Ein Wissenschaftsjournalist und einige Philosophen diskutieren genau darüber.

Der Gedanke schwankt irgendwo zwischen dem irdischen Paradies und der Schreckensvision einer „Schönen neuen Welt“: Wenn die Gefühle zwischen zwei Menschen erloschen sind, wenn Küsse nichts mehr bewirken, Umarmungen kalt lassen und Sehnsucht nicht mehr existiert geht man einfach in die Apotheke, holt sich eine Packung „Lieboxyn 500“ oder „Amorstan 200“ und schwebt nach der Einnahme wieder gemeinsam auf Wolke Sieben. Ist es dann wirklich noch Liebe, was man empfindet? Kann einem das bei der Aussicht auf Dauerglück nicht eigentlich egal sein?

Wie im Märchen

Der Grundgedanke dazu ist jedenfalls uralt und kam schon in vielen Märchen, Geschichten und Büchern zum Tragen. Meistens allerdings nicht als Pille, sondern als von Hexen oder Magiern gebrauter Liebestrank. Aktuell hat sich aber vor allem der Wissenschaftsjournalist Ross Andersen damit beschäftigt, der in einem Artikel auf der Website der US-Zeitschrift „The Atlantic“: „The Case for Using Drugs to Enhance Our Relationships (and Our Break-Ups)“ gründlich über dieses Thema nachdachte.

Darin werden nicht nur „love drugs“ - also Liebesdrogen - vorgeschlagen. Auch die Entwicklung einer „anti-love drug“, die das Beenden einer Beziehung erleichtert, wird diskutiert. Letztere wäre nicht nur ein wunderbares Mittel gegen fiesen Trennungsschmerz, sondern könnte beispielsweise auch Menschen befreien, die fanatisch auf bestimmte politische oder religiöse Führer fixiert sind. Andersen steht mit seinen Überlegungen nicht alleine da. Auch Philosophen an der Universität Oxford diskutierten über die Liebesdroge – mit wohlwollendem Resultat. Sie sehen nichts Falsches daran, eine solche Droge Paaren zugänglich zu machen, die das wünschen. Für Paare, die gemeinsame Kinder haben, würden sie es sogar als Verpflichtung betrachten, eine solche Droge zu nehmen. Immerhin könnte man so Leid für die Kinder vermeiden.

Zukunftsmusik?

Noch gibt es eine solche Pille (un)glücklicherweise nicht. Aber möglich wäre die Entwicklung immerhin. Emotionen haben auch mit Chemie zu tun und auf die kann man grundsätzlich Einfluss nehmen. Schon jetzt geschieht das mittels Hormonen und anderen Stoffen, auf die ein oder andere Weise. Schon Antidepressiva wirken sich ja positiv auf die emotionale Verbundenheit zu anderen Personen aus und auch das Kuschelhormon Oxytocin kann Bindungen stärken.

Doch wäre eine solche Pille wirklich wünschenswert? Natürlich müsste man nicht mehr unter unglücklichen Beziehungen leiden. Scheidungen wären überflüssig, und zerrissene Familien seltener. Man könnte sich seinen Partner nach anderen Kriterien aussuchen und aus materiellen Gründen, wegen sexueller Talente oder auch aus Mitleid mit ihm zusammen sein. Die fehlende Liebe könnte man ja nachliefern.

Ich liebe! Dich?

Praktisch! Aber was wäre eine solche Liebe dann noch wert? Sie wäre nicht mehr an eine bestimmte Person gebunden. Wenn ich die Tabletten nicht heimlich meinem Partner in die Kaffeetasse brösle, müsste jeder mit dem Wissen leben, dass die gegenseitige Liebe nur wegen der Medikamente besteht. „Ich liebe dich“ zu sagen wäre dann nicht mehr nötig. Die Antwort wäre bestenfalls: „Schön. Die Tabletten wirken.“

Und was ist mit Nebenwirkungen, wie sie ja schon bei Psychopharmaka oft auftreten? Was wenn ich die Tabletten nicht mehr vertrage oder sie während der Schwangerschaft nicht nehmen darf? Im Ergebnis wäre die eigene Partnerschaft abhängig von der Pharmaindustrie. Anhaltende Liebe wäre keine Belohnung mehr für ein harmonisches Miteinander und für eine gelungene Beziehungsarbeit. Sie wäre keine Frage des Herzens und des Charakters mehr, sondern des Geldbeutels. Würde über so eine Liebe noch jemand Lieder schreiben wollen?