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Let’s talk about love

 
 

Christian Viernickel ist seit über 20 Jahren als Dipl.-Sozialpädagoge im Bereich der Ehe-, Familien und Lebensberatung tätig. Seit 2003 arbeitet er in freier Praxis als Paar- und Sexualtherapeut. Getreu dem Motto: „Das Leben ist zu kurz, um sich zu entzweien" hilft er Paaren dabei, zusammen zu bleiben.

Ehe.de: Sind Sie gerne Paar-und Sexualtherapeut?

Christian Viernickel: Die Beratung von Paaren interessiert mich schon viele Jahre. Dabei faszinieren mich die unterschiedlichen Lebensentwürfe ebenso wie die Beziehungsgeschichten. Irgendwann bemerkte ich, dass Themen wie Intimität und Sexualität, trotz oder gerade wegen einer sehr liberalisierten Einstellung nur oberflächlich behandelt wurden. Die Sprachlosigkeit war sowohl auf Seiten der Therapeuten, wie auch bei Paaren ersichtlich. Das konnte nicht so bleiben, weil viele der angesprochenen Themen bei näherer Betrachtung viel mit unerfüllter oder gestörter Sexualität zu tun hatten.

Ehe.de: Kommen eher Frauen, Männer oder Paare auf Sie zu?

Christian Viernickel: Häufig sind Frauen die Signalgeberinnen, um meine Beratungsangebote zu nutzen. Nach meiner Beobachtung sind in den letzten Jahren zunehmend auch Männer bereit, sich um die Pflege oder Klärung ihrer Beziehung zu kümmern, insbesondere wenn die Gefahr von Trennung im Raum steht.

Ehe.de: Sind die Menschen, die zu Ihnen kommen für Sie Kunden oder Patienten?

Christian Viernickel: Zuvorderst würde ich Sie als Ratsuchende bezeichnen, vor deren Vertrauensvorschuss ich riesigen Respekt habe. Natürlich gibt es auch die Erwartung einer soliden therapeutischen Dienstleistung und einer praktischen Unterstützung bei der Überwindung auftretender Schwierigkeiten. Ich sehe mich daher als Mittler zu Einsichten und Lösungen, die von den Paaren kreiert werden.

Ehe.de: Eine erfüllte Sexualität mit dem Partner vermittelt Gefühle der Geborgenheit, der Ekstase und des Glücks. Den großen Erwartungen stehen auf der anderen Seite manchmal aber auch große Ängste gegenüber: die Angst vor Ablehnung, vor Kontrollverlust oder vor Langeweile. Wie können Sie helfen?

Christian Viernickel: In der Tat ist das Thema mit ebenso großen Erwartungen wie Ängsten verbunden. So wie zu unseren positiven Gefühlsregungen immer auch entsprechend negative Impulse gehören, ist es Aufgabe in der Therapie einen Zugang zu beiden Seiten zu bekommen. Das Reden über Sexualität braucht eine große Vertrautheit, die wiederum wachsen muss. Und es geht nicht selten darum, sich von vermeintlichen gesellschaftlichen Normen, wie Sexualität auszusehen hat, zu lösen und das eigene sexuelle Profil kennen zu lernen und zu entwickeln. Paare, die es vermögen, ihre Verschiedenartigkeit als Bereicherung der Beziehung erfahren zu können, werden insgesamt zufriedener leben.

Ehe.de: Sie sind Sexualtherapeut. Über Intimitäten zu sprechen fällt vermutlich vielen schwer. Wie schaffen Sie es, dass man Ihnen sexuelle Störungen anvertraut?

Christian Viernickel: Über Sex zu reden, kann jede/r lernen. Die Therapie ist ein angstfreier Schutzraum, der als grundlegende Voraussetzung anzusehen ist, dass Veränderung geschieht. Zunächst geht es um die Befähigung des Paares Worte zu finden, die ihr Erleben und mögliche Einschränkungen deutlich werden lässt. Wenn es sich tatsächlich um Libido,- Orgasmus- oder Störungen der sexuellen Erregung handelt werden die Auswirkungen auf die Zufriedenheit in der Beziehung thematisiert, bevor über die Art der Behandlung entschieden wird.

Ehe.de: Gibt es Personen, die erst einmal allein die sexuellen Probleme klären möchten, bevor der Partner vielleicht später einmal in die Gespräche einbezogen wird?

Christian Viernickel: Natürlich gibt es auch häufige Erstkontakte von Einzelpersonen, die sich unsicher sind ob und inwieweit der Partner in die Behandlung mit einzubeziehen ist. Manchmal ist es gut, eine Familienanamnese für den Anfragenden vorzuschalten, um die Themen des Paares von den möglichen individuellen psychischen Problemen zu unterscheiden.

Ehe.de: Worin liegen die meisten Probleme?

Christian Viernickel: Paare klagen über mangelnde Lust, über Erregungs- und Orgasmusstörungen. Parallel leben sich Partner auseinander, reden wenig miteinander und entfernen sich schließlich auch körperlich voneinander, was wiederum Außenbeziehungen begünstigt.

Ehe.de: Welche erotischen Impulse geben Sie Eheleuten, bei denen nichts mehr geht bzw. steht?

Christian Viernickel: Paartherapie versucht auf unterschiedlichen Ebenen anzusetzen. Intimität und Erotik ist einerseits eine Frage der Zeit und andererseits des Willens. Will ich mich mit meiner Partnerin zu Intimitäten verabreden oder gibt es die leise Erwartung, dass dies möglichst spontan passieren soll? Bin ich bereit selbst initiativ zu werden? Es gibt unzählige Möglichkeiten für Paare zum Ausprobieren. Ich beginne manchmal mit der Übung, den anderen dabei zu erwischen, wie er mir Gutes tut. Das ist eine wirksame Form, dem Anderen mit positiver Aufmerksamkeit zu begegnen.

Ehe.de: Wenn ein 65-jähriger Mann nicht mehr seinen Mann stehen kann, darunter leidet, sich aber nicht traut, seine Frau drauf anzusprechen: Was würden Sie ihm raten?

Christian Viernickel: Zunächst sollte er einen Urologen aufsuchen, zu dem er Vertrauen hat und mit ihm die körperliche Seite seiner Ängste abklären. Hinter Versagensängsten stecken nicht selten auch andere Themen, die wiederum Themen beider sein können. Möglicherweise hilft auch ein Erstkontakt zu einem männlichen Berater, um die Hemmnisse besser zu verstehen und zu reduzieren.

Ehe.de: Was sind Ihre Zukunftstipps für Paare, die es schaffen, sich von Neuem zu verlieben?

Christian Viernickel: Es ist sinnvoll und heilsam, nach einer beendeten Beziehung eine Pause zu machen und sich zu befragen, was die vorhergehende Beziehung hat scheitern lassen. Das kann helfen, dass sich Trennendes nicht immer wieder neu inszeniert. Also im Grunde sich besser kennen zu lernen, die eigenen Erwartungen, Begrenzungen und Rollenbilder zu reflektieren. Hierzulande gibt es nur bei den Kirchen Seminare, in denen Paare sich auf die Partnerschaft vorbereiten oder gezielt ihre verbale Kommunikation verbessern. Das wäre doch mal was, sich präventiv und nicht kurativ mit partnerschaftlichen Beziehungen zu befassen? Dazu gibt es in Deutschland bereits gute Untersuchungen, die Paaren eine höhere partnerschaftliche Zufriedenheit bescheinigen, die an Kommunikationsseminaren teilgenommen haben.

Ehe.de: Wenn gar nichts mehr geht, raten Sie Ihren Kunden dann zur Scheidung?

Christian Viernickel: Ich bin eher sparsam mit Ratschlägen. Paare haben in der Regel trotz aller Ambivalenz ein waches Empfinden, wann die Zeit reif ist, eine Entscheidung zu treffen. Ob dies das mit einer temporären Trennung oder eine rechtlichen Scheidung verbunden ist, entscheiden die Paare selbst. Ich bin manchmal überrascht, dass Paare wieder einen Weg zueinander finden, wo es anfangs ziemlich hoffnungslos aussah.