Thema des Prozesses war der Streit über die Festsetzung von Kindergeld für ein volljähriges verheiratetes Kind. Die Tochter der Klägerin war seit Juli 2009 verheiratet und hatte sich zwischen 2009 und 2012 in der Ausbildung befunden. Für sie und eine weitere Tochter, die zu diesem Zeitpunkt noch studierte, hatte die beklagte Familienkasse zunächst noch Kindergeld gezahlt. Im Februar 2011 wurde die Zahlung aber eingestellt, mit der Begründung, dass sich das Einkommen des Ehemanns erhöht habe.
Die Klägerin war damit nicht einverstanden und beantragte ab Januar 2012 erneut Kindergeld für ihre Tochter. Dabei wies sie darauf hin, dass ihr Schwiegersohn gerade einmal 390 EUR zur Verfügung habe und ihre Tochter für das ganze Jahr 2012 eine Bruttoausbildungsvergütung von 8966,55 EUR bekomme.
Ehemann unterhaltspflichtig?
Mit der Begründung, dass bei einem verheirateten Kind nicht mehr die Eltern, sondern der Ehegatte unterhaltsverpflichtet seien, lehnte die Kasse den Antrag ab.
In einem Einspruchsverfahren klagte die Frau erneut. Sie wies die Unterhaltsverpflichtung ihres Schwiegersohns wegen dessen geringen Einkommens zurück und verwies auf eine seit 2012 gültige Neuregelung. Demnach sei für volljährige Kinder in Ausbildung keine Einkommensprüfung mehr vorzunehmen. Die beklagte Familienkasse argumentierte dagegen, dass schon die Einkünfte und Bezüge der Tochter allein den Grenzbetrag überschreiten würden, und bekam zunächst recht.
Im Revisionsverfahren folgte das Gericht aber der Ansicht der Klägerin. Die Beklagte ist gegenüber der Klägerin zur Zahlung von Kindergeld für ihre Tochter in der gesetzlichen Höhe für den Zeitraum vom Januar bis zum September 2012 verpflichtet.
Anspruch in der Erstausbildung
Da sich die Tochter in der Erstausbildung befindet und unter 25 ist sie anspruchsberechtigt. Der Besuch eines Gymnasiums gilt in diesem Sinne nicht als „erstmalige Berufsausbildung“. Das wäre nur der Fall, wenn das Kind dort die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse für seinen angestrebten Beruf erworben hätte. Die Höhe der Ausbildungsvergütung spielt seit 2012 für den Kindergeldanspruch keine Rolle mehr. Das gleiche gilt für den Unterhaltsanspruch der Tochter gegen ihren Ehemann, der bis 2011 noch zu den maßgeblichen Einkünften und Bezügen gezählt wurde.
Dass die Tochter verheiratet ist, steht dem Kindergeldanspruch nicht entgegen. Für den Anspruch muss keine „typische Unterhaltssituation“ vorliegen, anders als es in der früheren Rechtsprechung gesehen wurde. Generell ist das Kindergeld ist seit dem 01.01.2012 unabhängig von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes zu gewähren.
Quelle: Finanzgericht Münster