Die Frage: Wie oft sollte man „Ich liebe dich!“ sagen, ist auf den ersten Blick schon ein wenig befremdlich. Immerhin handelt es sich ja um eine Gefühlsäußerung und es gibt wohl kaum jemanden, der sich ernsthaft fragt ob er am Tag oft genug „Ich habe Angst!“, „Ich bin aufgeregt!“ oder „Ich bin gelangweilt!“ gesagt hat. Von all diesen Gefühlen reden wir – wenn wir es überhaupt tun – nur, weil wir gerade so empfinden und das irgendjemanden mitteilen wollen. An die Liebe werden aber völlig andere Anforderungen gestellt als an Empfindungen wie Angst oder Langeweile. Liebe hat – gerade in einer Partnerschaft - immer da zu sein. Sie soll kein Gefühl sein, das gelegentlich mal auftaucht, sondern ein emotionales Grundrauschen, das jede Handlung und jedes Wort durchdringt, dass man an den Partner richtet. Gelegentliche Höhepunkte (quasi „Ich liebe dich plus“) werden gerne in Kauf genommen. Aber Ebbe? Niemals. Wer in einer Ehe oder Beziehung lebt, erwartet von seinem Partner Liebe. Es ist quasi die wichtigste Vertragsbedingung. Und die will gelegentlich erneuert sein.
Wie oft ist richtig?
Doch welche Häufigkeit ist jetzt die Richtige? Einmal im Monat? Jede Stunde? An ungeraden Sonntagen? Muss man nun vielleicht einen detaillierten Plan für Liebesäußerungen aufstellen? Noch gelegentlich dabei würfeln, um die richtige Prise Zufall in die Planerfüllung zu streuen? Muss jeder Partner eine Strichliste führen und – wenn er unterliegt – in die „Herzloser Idiot“-Kasse einzahlen?
Natürlich nicht. Wie oft „zu oft“ oder „nicht oft genug“ ist, ist bei jedem Paar und bei jedem Menschen völlig unterschiedlich. Aber ganz egal ob der Partner sich ausschweigt oder den Satz im Minutentakt rausfeuert. Beides kann Grund zur Freude sein. Oder zur Besorgnis.
Ein Satz: Viele Absichten
Doch warum sagt man die drei Worte eigentlich? Ist es nicht irgendwie eindeutig, dass man sich liebt, wenn man jede Nacht miteinander ins Bett geht, sich eine Wohnung teilt, womöglich geheiratet hat? Jein. Denn bekannterweise können leider auch aus der schönsten Ehe Gewohnheit werden und nicht jeder packt sofort seine Sachen, wenn die Gefühle sich verabschiedet haben. Damit man aber weiß, dass man mit keinem „Gefühlsbetrüger“ zusammenlebt, möchte man eben auch gerne mal einen Statusbericht bekommen. Und wenn der nicht von selbst kommt, dann greift man auf die gute alte „fishing for compliments“-Methode zurück. Man sagt den Satz (den man ja eigentlich hören will) einfach selbst, in der Hoffnung, dass er dem Partner dann auch aus dem Mund rutscht. Aber meistens erntet man dann nur ein „ich dich auch“ (so eine Art „Ich liebe dich zweiter Klasse). Und hat hinterher ein schales Gefühl. Immerhin wollte man den so wichtigen Satz ja direkt von seinem Partner hören. Bleibt dann die unangenehme Frage: „Hat er/sie das wirklich ernst gemeint?“.
Wer dagegen sehr häufig „Ich liebe dich“ sagt, will im schlimmsten Fall vielleicht nur sich selbst davon überzeugen, dass es noch so ist. Und auch sonst kommt es oft genug einer alltäglichen Pflichtübung oder einem Ritual gleich, das man bei Verabschiedungen oder vor dem Einschlafen pflegt. Doch natürlich gibt es auch schönere Gründe. Immerhin kann dieser Satz – wenn er von Herzen kommt – sehr schön sein, und wenn mal wieder einfach alles schief geht, will man gerne daran erinnert werden, dass da jemand ist, der so für einen empfindet. Und solch ein Satz zeigt ja auch – wenn er nicht allzu beiläufig gesprochen wird – das man die Partnerschaft noch nicht für selbstverständlich hält.
Gründe zu schweigen
Wenn aber vom Partner nur konstantes Schweigen an dieser Front kommt? Ist das dann Grund zur Besorgnis? Nicht unbedingt. Manche Menschen leben eben auch in Liebesdingen nach dem Grundsatz „Weniger reden, mehr machen“ und zeigen ihre Liebe lieber durch Gesten und durch ihr sonstiges Verhalten. Wie jeder von uns weiß, können Worte ja auch nicht immer alles ausdrücken, was man empfindet. Davon abgesehen – so die Denkweise von einigen - müsste der Partner ja inzwischen auch so von der eigenen Zuneigung wissen. Man hat ja immerhin keinen Dummkopf geheiratet. Natürlich kann es sich auch um das – gerade unter Männern verbreitete - Problem handeln, über die eigenen Gefühle zu reden. Schließlich könnte man dadurch ja Schwäche zeigen. Auch die Angst davor wie ein verzweifelt klammerndes Etwas zu wirken spielt dabei eine Rolle.
Vielleicht steht der Partner aber auch einfach nur auf dem Standpunkt, dass dieser Satz zu kostbar ist, um ihn andauernd zu gebrauchen.
Kampf der Inflation
Und genau das ist der Punkt. Wie schon eingangs erwähnt ist der berühmte Satz eine Gefühlsäußerung. Und am schönsten ist er deswegen auch, wenn er aus einem spontanen Gefühl heraus geäußert wird. Wer ihn dagegen so gedankenlos und beiläufig gebraucht wie „Gibst du mir mal die Butter?“, entwertet ihn. Viel schöner ist es doch, wenn er in wirklich romantischen, emotionalen Situationen aus einem herausbricht wie eine Flutwelle und man diesem Bedürfnis einfach nachgeben muss. Dann fragt sich das Gegenüber nämlich garantiert nicht, ob Sie gerade um die Butter gebeten haben.