Wovon sollte ich ausgehen?
Bitte beachten Sie, dass derzeit alles irgendwie in der Luft hängt und niemand wirklich zuverlässig weiß, wie sich die Dinge entwickeln werden. Idealerweise schaffen Sie Fakten, bevor sich mit dem Brexit vieles ändert. Brexit bedeutet Exit. Noch nie gab es den Fall, dass ein Mitgliedstaat die Europäische Union verlassen hat. Die unendlich vielen Vereinbarungen in den Verträgen zur Gründung und Gestaltung der Europäischen Union scheinen über Nacht nutzlos geworden. Zwangsläufig ergeben sich Konsequenzen, die sich derzeit kaum absehen lassen. Vieles ist Spekulation. Fakten sind brüchig. Da alles irgendwie im Fluss ist, kann sich vieles oder alles ändern.
Wie ist die Rechtssituation vor dem Brexit?
Bislang sind Briten als EU-Bürger freizügigkeitsberechtigt. Sie können reisen, wohin sie in Deutschland wollen und sich niederlassen, wo es gefällt. Heiraten Sie bis zum Brexit einen Engländer, genügt der Gang zum Standesamt. Ihr Ja-Wort begründet Ihre Ehe. Einen Aufenthaltstitel in Deutschland können Engländer derzeit, solange es weder einen geregelten noch einen ungeregelten Brexit gibt, noch nicht beantragen. Da Briten derzeit als EU-Bürger gelten, benötigen Sie keinen Aufenthaltstitel. Es gibt nichts, auch nichts Präventives, was zu beantragen wäre.
Wie schaffe ich Fakten vor dem Brexit?
Sie schaffen Fakten, wenn Sie Ihren Engländer oder Ihre Engländerin sofort heiraten und damit dem Brexit zuvorkommen. Noch gelten Briten als EU-Bürger, sind damit freizügigkeitsberechtigt und dürfen in jedem EU Staat, so auch in Deutschland, tun und lassen, was sie wollen, also auch heiraten.
Was ist, wenn mein Engländer auch Deutscher ist?
Besitzt Ihr britischer Staatsangehöriger auch die deutsche Staatsangehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, ist der britische Staatsangehörige auch als EU-Bürger sowie als deutscher Staatsangehöriger ohne Aufenthaltstitel in Deutschland aufenthaltsberechtigt. Sie können Ihren Deutsch-Engländer-/in also problemlos heiraten.
Was passiert nach einem Brexit ohne Deal?
Kommt es irgendwann tatsächlich zu einem Brexit ohne Abkommen, verlieren die Briten ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland. Allerdings hat die Bundesregierung bereits versichert, dass kein britischer Staatsangehöriger im Fall eines No-Deal Deutschland sofort verlassen muss. Es sind Übergangszeiten von wenigstens drei Monaten geplant. In dieser Zeit müssen Briten, die weiterhin in Deutschland bleiben wollen, bei der zuständigen Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel beantragen. Sollten die Ausländerbehörden infolge eines Massenansturms britischer Staatsangehöriger überlastet sein, wäre die Bundesregierung auch bereit, die Frist zu verlängern.
Für diesen Zeitraum besteht das frühere Aufenthaltsrecht fort. Auch in dieser Zeit bleiben Briten freizügig. Sie können arbeiten, unternehmerisch tätig sein oder einen deutschen Staatsangehörigen heiraten. Aber: Engländer, Schotten, Waliser und Nordiren sind dann keine EU-Bürger mehr. Sie gelten als Angehörige eines Drittstaates und müssen sich wie Staatsangehörige aus Timbuktu, Patagonien oder Guinea um einen Aufenthaltstitel in Deutschland bemühen. Der Preis des Brexits besteht darin, dass sich Aufenthaltsstatus und Arbeitserlaubnis verkomplizieren und damit auch der Rahmen, in dem sich Ehepartner bewegen, enger gefasst wird.
Was passiert nach einem geregelten Brexit?
Wie im normalen Scheidungsverfahren auch, sollte man eigentlich erwarten dürfen, dass der Brexit geregelt erfolgt und sich die Partner auf eine einvernehmliche Scheidung verständigen können. Für diesen Fall ist eine bis mindestens Ende 2020 vorgesehene Übergangsphase eingeräumt worden. In diesem Zeitraum würden Briten in Deutschland weiter als EU-Bürger behandelt werden. Deren Freizügigkeitsrecht bestünde fort.
Wie heirate ich meinen Engländer nach einem wie auch immer gearteten Brexit?
Kommt es zum Brexit, haben Briten den Status als Drittstaatler. Sie sind keine EU-Bürger mehr. Möchten Sie heiraten, gehen Sie zum Standesamt und bereiten dort unter Vorlage der üblichen Unterlagen Ihre Eheschließung vor. Ihr Engländer benötigt ein Ehefähigkeitszeugnis, aus dem insbesondere hervorgeht, dass er oder sie zu Hause nicht verheiratet ist.
Um nach Deutschland zu kommen, benötigt Ihr Traummann- /frau zumindest nach Ablauf einer Übergangszeit nach dem Brexit ein Visum. Immerhin hat die Europäische Union beschlossen, dass für einen Übergangszeitraum auf die gegenseitige Visumspflicht verzichtet werden soll. Allerdings bietet ein bloßes Visum keine ausreichende Grundlage für eine Heirat. Ein Visum berechtigt meist nur für kurze Aufenthalte bis zu 90 Tage und hat touristische oder geschäftliche Zwecke zum Gegenstand. Reist Ihr Engländer nach Deutschland ein, muss er die Umstände seines beabsichtigten Aufenthalts im Rahmen der Grenzkontrolle belegen und nachweisen, dass er oder sie über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um den Lebensunterhalt für die Dauer des Aufenthalts und die Rückreise zu bestreiten. Für eine Heirat und ein gemeinsames eheliches Leben in Deutschland ist ein Visum also keine zweckmäßige Ausgangsposition.
Will Ihr künftiger Ehepartner in Deutschland sein Leben mit Ihnen gestalten, wird er oder sie eine Aufenthaltserlaubnis benötigen. Diese wird im Regelfall bis drei Jahre erteilt und ist mit dem Nachweis deutscher Sprachkenntnisse verbunden. Die Aufenthaltserlaubnis wird in eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis umgewandelt, wenn der Lebensunterhalt nachweislich gesichert ist, keine Verurteilung wegen einer Straftat erfolgt ist und der Ehepartner hier seinen Hauptwohnsitz hat.
Wirkt sich sein Beitrag zum Bruttosozialprodukt positiv aus?
Die Aufenthaltserlaubnis kann auch im Zusammenhang mit beruflichen Aktivitäten gesehen werden. So führt die Agentur für Arbeit eine Positivliste für Ausbildungsberufe, die in Deutschland nur unzureichend besetzt sind und für die deshalb auch englischer Nachwuchs erwünscht ist. Hat Ihr Ehepartner einen Hochschulabschluss oder eine ähnliche Qualifikation, hilft die „Blaue Karte EU“, eine Aufenthaltserlaubnis zu begründen. Ist der Ehepartner Student, dürften gleichwohl keine Probleme entstehen. Ist der Ehepartner Unternehmer oder selbstständig und lässt die Tätigkeit „positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten“, dürfen Sie gleichfalls mit einer Aufenthaltserlaubnis rechnen. Wenn Sie dann nebenbei auch noch heiraten, schlägt Ihr Engländer „zwei Fliegen mit einer Klappe“.
Was ist, wenn ich in England heirate und dort leben möchte?
Möchten Sie Ihren Engländer in England heiraten und dort leben, gelten Sie nach einem Brexit gleichfalls als Drittstaatler und müssen die für einen dauerhaften Aufenthalt notwendigen Voraussetzungen erfüllen. Bereits jetzt sollen 1,8 Millionen in Großbritannien lebende EU-Bürger eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt haben. Den meisten wurde ein sogenannter dauerhafter Status („settled status“) gewährt. Voraussetzung ist, dass Sie seit mindestens fünf Jahren in Großbritannien leben. Leben Sie weniger als fünf Jahre in Großbritannien, erhalten Sie den vorgelagerten dauerhaften Status („pre-settled status“). Der Staatssekretär im britischen Innenministerium, Brandon Lewis, hat erklärt, dass „alle EU-Bürger unsere Freunde, unsere Familie und unsere Nachbarn sind und wir wollen, dass sie es bleiben“. Kommt es zum ungeregelten Brexit, haben Sie bis 31.12.2020 Zeit, eine Aufenthaltsgenehmigung in Großbritannien zu beantragen. Kommt es zu einem geregelten Brexit, soll die Frist noch ein weiteres Jahr länger bestehen.
Fazit
Die Situation ist komplex. Sie sollten nichts überstürzen. Nichts wird so heiß gekocht, wie es gegessen wird. Wenn Sie tatsächlich einen Engländer heiraten wollen, sollten Sie bestenfalls davon ausgehen, dass Liebe immer wieder Schranken und Grenzen überwindet und es mit Sicherheit Wege geben wird, dass Sie als Ehepaar zusammen leben können.