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Auch in einer Ehe muss man von Zeit zu Zeit um seine Privatsphäre kämpfen. (© T.Tulic - Fotolia.com)

Auch Liebe braucht Freiheitskämpfer – Ehe und Privatsphäre

 
 

Wenn die Liebe einmal so richtig zugeschlagen hat, beginnen zwei Herzen plötzlich als eines zu schlagen und aus zwei „Ichs“ wird plötzlich ein „Wir“. Im Laufe einer langjährigen Partnerschaft wird aus diesem anfänglichen Traum dann mehr und mehr eine Realität und spätestens, wenn man sich dazu entschließt, eine Ehe einzugehen, scheint die „Ich-Verschmelzung“ perfekt zu sein. Aber auch wenn es manchmal so scheinen mag: Selbst wer miteinander Nachname, Wohnung und Bett teilt, ist noch längst nicht zu einem einzigen Wesen geworden. Im Gegenteil:  Niemand gibt durch eine Ehe seine Persönlichkeit oder seine Rechte auf. Auch als Paar besteht man immer noch aus zwei einzelnen, vollwertigen Menschen mit ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen. Und gerade deshalb stellt sich in jeder Partnerschaft jeder irgendwann die Frage: Wie viel Freiheit brauche ich?

Der Wunsch nach Einsamkeit in der Zweisamkeit

Spätestens, wenn die Hormone eine erste Atempause machen, haben die meisten Menschen den Wunsch, sich ein wenig aus ihrer Partnerschaft zurückzuziehen und sich wieder etwas mehr um sich selbst zu kümmern. In den wenigsten Fällen ist das ein schlechtes Zeichen. Nachdem so etwas Gewaltiges wie die Liebe über die eigene Seele hereingebrochen ist, muss man erst einmal aufräumen und schauen, wie man sein bisheriges Leben in diese neue Situation einfügt. Immerhin hatte man auch vorher Pläne, Interessen und Dinge, die man gern gemacht hat (und das auch ohne seinen Partner). Wegen dieser Dinge, wegen der Art sie zu tun, wegen der Art darüber zu sprechen und wegen vieler weiterer Faktoren hat sich der Partner ja wahrscheinlich überhaupt erst in einen verliebt. Insofern ist es eigentlich ein Liebesdienst, sich Freiraum zu verschaffen. Man pflegt das, was die Partnerschaft überhaupt erst möglich gemacht hat.

Wer sich also nach Privatsphäre sehnt, hat nicht unbedingt etwas zu verbergen und in den wenigsten Fällen hat der Wunsch nach ein paar einsamen Stunden etwas mit mangelnder Liebe oder dunklen Geheimnissen zu tun. Manchen Aktivitäten oder Hobbys möchte man einfach allein nachgehen, um sich darauf zu konzentrieren und wirklich darin aufgehen zu können. Mal davon abgesehen, dass der Badminton-Fan vielleicht wenig mit Modellbau und die Musikerin nicht immer etwas mit Freeclimbing anfangen kann. Nicht an allem, was man tut, hätte der andere genauso viel Spaß. Ähnliches gilt für Freundeskreise. Die können sich zwar überschneiden und man kann auch gemeinsam etwas unternehmen. Aber manchmal möchte man mit dem dicksten Kumpel oder der besten Freundin auch mal unter vier Augen zusammen sein. Es gibt sogar Lebensphasen, in denen man mal mehrere Wochen für sich braucht; sei es wegen einer Sinnkrise, Prüfungsvorbereitungen oder für einen Urlaub.

Warum willst du Abstand?

So weit, so gut. Das Problem an dieser ganzen Sache ist nur, dass der Partner, dem Nähe in einer Ehe oder Beziehung über alles geht, oft wenig Verständnis für diesen Wunsch nach temporärer Einsamkeit besitzt. Dabei könnte meist auch er von diesen Freiräumen profitieren. Denn Zeit für sich zu haben stärkt das Selbstvertrauen. Auch nimmt man die Partnerschaft wieder bewusster wahr und kann sich Sehnsucht und Spannung besser erhalten. Und einen weiteren Vorteil gibt es dabei: Wer auch mal getrennt voneinander etwas unternimmt, hat beim Wiedersehen mehr Dinge, über die er sich unterhalten kann.

Es ist aber ungemein wichtig darauf zu achten, dass die Freiräume dann auch für beide Partner gelten. Wer selbstbewusst seine Freiheit für sich in Anspruch nimmt, sollte umgekehrt nicht traurig oder beleidigt sein oder gar für ein schlechtes Gewissen sorgen, wenn der Partner dasselbe Recht für sich einfordert. Letzteres ist nämlich nicht besonders schwer zu erreichen, besonders wenn man sich nicht getrennt voneinander amüsiert, sondern ein Partner gerade einmal allein zu Hause bleiben muss.

Daten (Geheimnisse)

Eng verzahnt mit dem Thema Freiraum in der Partnerschaft ist die Frage nach dem Umgang mit Geheimnissen. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass man wichtige Dinge, die die Partnerschaft oder die eigene Lebensgeschichte betreffen, auch mit seinem Partner teilt. Aber das bedeutet nicht, dass man jedes Detail über vergangene Liebschaften oder über die Kommunikation mit seinen Freunden ungefiltert an den Partner weitergeben muss.

Solche Dinge sollte man auch gar nicht in Erfahrung bringen wollen, wenn der Partner nicht von selbst davon erzählt. Wer andauernd E-Mails liest, Briefe öffnet, SMS durchforstet und sich in die Social-Media Accounts seines Ehepartners einloggt, schafft nicht gerade die beste Basis für ein gesundes Vertrauensverhältnis in seiner Partnerschaft. Umgekehrt sollte man selbst in einer Partnerschaft nicht zu freigiebig mit seinen Passwörtern und Zugängen sein, um den Partner gar nicht erst in Versuchung zu führen.

Zu viel Nähe schadet

Natürlich steckt bei Menschen, die viel Nähe einfordern oder übermäßiges Interesse am Privatleben ihres Liebsten zeigen, selten eine böse Absicht dahinter. Oft ist es eher der Wunsch seine Liebe zu zeigen und den Menschen, der einem so wichtig ist, um jeden Preis zu halten. Manch einer merkt dabei gar nicht, wie sehr er seinen Partner einengt. Manchmal steckt aber auch handfeste Eifersucht oder sogar ein ausgewachsener Kontrollwahn dahinter. Das Ergebnis ist in jedem Fall gleich: Statt den Partner enger an sich zu binden, tut man eher das genaue Gegenteil und treibt ihn Stück für Stück in die Flucht. Problematisch wird es vor allem dann, wenn der „klammernde“ Partner von sich aus kein Interesse an Privatsphäre und vielleicht keine eigenen Hobbys und Freunde hat und er sich deshalb ganz auf seinen Partner fixiert.

Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass eine Beziehung, in der man 24 Stunden zusammen ist und in der man überhaupt keine Geheimnisse mehr voreinander hat, funktionieren kann. Aber das ist nur dann der Fall, wenn beide es unbedingt wollen. Wie viel Nähe und Privatsphäre jemand braucht, hängt immer von den jeweiligen Personen ab. Bei den meisten Menschen kann zu viel Nähe den Wunsch nach Nähe töten.

Ein gewisses Interesse am Leben und den Tätigkeiten des Partners ist gut und zeigt auch, dass man an seinem Leben teilhaben will. Aber hier gilt es, ein vernünftiges Maß zu wahren. Hier ist es auch an der „bedrängten“ Person, ihr Unwohlsein klar zur Sprache zu bringen. Sie muss lernen „Nein“ zu sagen, sobald sie sich durch das Verhalten des Anderen eingeengt und dominiert fühlt. Der andere muss dann entweder lernen loszulassen oder man wird sich trennen müssen. Ähnliches passiert auch - dann aber nach einem langen Leidensweg – wenn der freiheitsliebende Partner seine Bedürfnisse unterdrückt. Der Wunsch nach mehr Freiheit kann sich dann schnell in den Wunsch nach einer Trennung auf Zeit oder gar nach einer vollständigen Trennung oder Scheidung entladen.

Niemand sollte in einer Partnerschaft vereinsamen müssen. Gemeinsame Hobbys und Aktivitäten sind sehr wichtig. Aber wer dauernd aufeinander hockt, bei dem fehlt schnell die Leidenschaft in der Beziehung.